Referentenentwürfe zum Sondervermögen nach Art. 143h des Grundgesetzes

Geschrieben von

guido bormann module
Guido Bormann

Partner
Deutschland

Ich bin Partner unseres Teams Öffentliches Wirtschaftsrecht und der internationalen Sektorgruppen Sicherheit und Verteidigung sowie Technologie und Kommunikation und berate bei großen ITK-Infrastrukturprojekten, wie dem Digitalfunk BOS und der Telematikinfrastruktur.

johannes woltering module
Johannes Woltering

Associate
Deutschland

Seit 2017 bin ich als Associate in unserem Düsseldorfer Büro sowie als Mitglied der Praxisgruppe Öffentliches Wirtschaftsrecht tätig. Im Bereich des öffentlichen Wirtschaftsrechts berate ich im Besonderen zu Fragestellungen des Vergabe-, Wettbewerbs- und Europarechts.

Das Sondervermögen-Infrastruktur-und-Klimaneutralität-Gesetz (SIVKG-E) und das Länder- und Kommunal-Infrastrukturfinanzierungsgesetz (LuKIFG-E)

Neue Investitionsoffensive des Bundes: Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität in Höhe von 500 Milliarden Euro

Die Bundesregierung hat zwei bedeutsame Referentenentwürfe des Bundesministeriums für Finanzen vorgelegt, die eine umfassende Investitionsoffensive zur Stärkung der deutschen Infrastruktur und zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045 einleiten sollen. Mit dem Sondervermögen-Infrastruktur-und-Klimaneutralität-Gesetz (SIVKG-E) und dem Länder- und Kommunal-Infrastrukturfinanzierungsgesetz (LuKIFG-E) wird ein Finanzierungsvolumen von insgesamt 500 Milliarden Euro mobilisiert. Von dem Gesamtvolumen sind 100 Milliarden Euro für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) eingeplant. Die Verteilung und Verwendung der für die Länder bestimmten 100 Milliarden Euro wird durch den Referentenentwurf des Länder- und Kommunal-Infrastrukturfinanzierungsgesetzes (LuKIFG-E) geregelt.

Die beiden Referentenentwürfe bilden ein kohärentes Gesamtkonzept zur Bewältigung der Infrastruktur- und Klimaherausforderungen Deutschlands. Während das SIVKG-E den rechtlichen Rahmen für das Sondervermögen schafft und die Verwendung der Bundesmittel insbesondere auch für den Klima- und Transformationsfonds regelt, konkretisiert das LuKIFG-E die Verteilung und Verwendung der den Ländern zustehenden 100 Milliarden Euro.

Die Gesetzesvorhaben verfolgen das gemeinsame Ziel, durch eine „Investitionsoffensive" das Wirtschaftswachstum zu stärken, den öffentlichen Kapitalstock zu erhöhen und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Wirtschaftsstandorts Deutschland durch zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur zu verbessern.

Die verfassungsrechtliche Grundlage für diese beispiellose Investitionsoffensive wurde im Frühjahr 2025 durch den neuen Artikel 143h Grundgesetz (GG) geschaffen. Diese Verfassungsänderung war notwendig geworden, da die strukturellen Defizite der öffentlichen Infrastruktur und die ambitionierten Ziele der Klimaneutralität bis 2045 mit den Mitteln des regulären Haushalts nicht zu bewältigen waren. Der sog. „Investitionsstau" - insbesondere in den Bereichen Verkehr, Energie, Krankenhaus- und Bildungsinfrastruktur - erforderte außergewöhnliche Finanzierungsmaßnahmen.

I. Das Sondervermögen-Infrastruktur-und-Klimaneutralität-Gesetz (SIVKG-E)

1. Struktur und Umfang des Sondervermögens

Das geplante SIVKG-E errichtet das Sondervermögen unter der Bezeichnung „Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität" mit einer Kreditermächtigung von bis zu 500 Milliarden Euro. Das Sondervermögen erhält eine eigene Rechtspersönlichkeit und kann unter seinem Namen im Rechtsverkehr handeln, klagen und verklagt werden, ohne jedoch rechtsfähig zu sein.

2. Verwendungszwecke und Investitionsbereiche

Aus dem Sondervermögen sollen zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und zur Erreichung der Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 finanziert werden. Die begünstigten Investitionsbereiche des Bundes umfassen insbesondere:

  • Zivil- und Bevölkerungsschutz: Stärkung der Resilienz gegenüber Naturkatastrophen und anderen Bedrohungen
  • Verkehrsinfrastruktur: Modernisierung und Ausbau von Straßen, Schienen und Wasserwegen
  • Krankenhausinfrastruktur: Transformation und Modernisierung des Gesundheitswesens
  • Energieinfrastruktur: Ausbau erneuerbarer Energien und Netzinfrastruktur
  • Bildungs-, Betreuungs- und Wissenschaftsinfrastruktur: Stärkung des Bildungs- und Forschungsstandorts Deutschland
  • Forschung und Entwicklung: Förderung von Innovationen
  • Digitalisierung: Ausbau der digitalen Infrastruktur

3. Förderung der Klimaneutralität durch den Klima- und Transformationsfonds 

Ein besonderer Fokus liegt auf der Förderung von Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität. Hierzu werden dem Klima- und Transformationsfonds (§ 4 Abs. 2 SIVKG-E) tranchenweise bis 2034 insgesamt 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen zugeführt. Diese Zuführung ist jedoch auf „zusätzliche Investitionen" beschränkt. Als „zusätzlich“ gelten die im Sondervermögen veranschlagten Investitionen, wenn die im Bundeshaushalt vorgesehenen Ausgaben für Investitionen mindestens 10 Prozent der Bundeshaushaltsausgaben im jeweiligen Haushaltsjahr betragen. Dabei sind bestimmte Posten rechnerisch zu bereinigen, etwa ausgabenseitige finanzielle Transaktionen.

4. Zeitliche Begrenzung und Kontrollanforderungen

Aus dem Sondervermögen dürfen nur Investitionen finanziert werden, die bis zum 31. Dezember 2036 bewilligt werden. Der SIVKG-E sieht für sondervermögenfinanzierte finanzwirksame Maßnahmen des Bundes angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen in der Planungsphase sowie begleitende und abschließende Erfolgskontrollen gemäß § 7 Bundeshaushaltsordnung (BHO) vor. Für alle Maßnahmen müssen hinreichend konkretisierte Ziele formuliert und Festlegungen zum methodischen Vorgehen bei der Erfolgskontrolle getroffen werden. Für das Sondervermögen gilt in Übereinstimmung mit den allgemeinen Regeln (§ 113 BHO) das Haushaltsrecht des Bundes, soweit nicht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes etwas anderes bestimmt ist.

II. Das Länder- und Kommunal-Infrastrukturfinanzierungsgesetz (LuKIFG-E)

Das LuKIFG-E setzt die verfassungsrechtlich in Artikel 143h Absatz 2 Satz 4 GG vorgesehene einfachgesetzliche Ausgestaltung um. Von den 500 Milliarden Euro des Sondervermögens stehen 100 Milliarden Euro den Ländern für Investitionen in ihre Infrastruktur zur Verfügung. Das Gesetz regelt die Verteilung dieser Mittel auf die Länder, die förderfähigen Infrastrukturbereiche, den Zeitraum der Förderung sowie das Verfahren für die Berichterstattung an den Bund.

1. Verteilungsschlüssel und kommunale Beteiligung

Die Aufteilung der 100 Milliarden Euro auf die 16 Bundesländer orientiert sich am sogenannten Königsteiner Schlüssel. Dieser berücksichtigt zu zwei Dritteln das Verhältnis der Ländersteuern nach Aufkommen plus Länderanteil Umsatzsteuer einschließlich Finanzkraftausgleich und zu einem Drittel das Verhältnis der Einwohnerzahlen mit Stand vom 30. Juni 2022.

Eine besondere Bedeutung kommt der kommunalen Beteiligung zu: Die Flächenländer müssen mindestens 60 Prozent ihrer Mittel für Investitionen in die kommunale Infrastruktur verwenden. Dabei sollen sie die Bedürfnisse finanzschwacher Kommunen besonders berücksichtigen und auf landesspezifische Gegebenheiten achten. Die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg sind von diesen kommunalen Regelungen ausgenommen.

2. Förderbereiche und Fördervoraussetzungen

Das LuKIFG-E sieht neun spezifische Infrastrukturbereiche vor, in denen Sachinvestitionen gefördert werden können:

  • Bevölkerungsschutz: Stärkung der Katastrophenschutz- und Notfallkapazitäten
  • Verkehrsinfrastruktur: Erhalt und Modernisierung von Verkehrswegen
  • Krankenhausinfrastruktur: Transformation und Modernisierung der Gesundheitsversorgung
  • Energieinfrastruktur: Insbesondere Wärme- und Energienetze
  • Bildungsinfrastruktur: Sanierung und Ausbau von Bildungseinrichtungen
  • Betreuungsinfrastruktur: Ausbau der Kinderbetreuung und Pflege
  • Wissenschaftsinfrastruktur: Stärkung von Forschungseinrichtungen
  • Forschung und Entwicklung: Förderung von Innovationsprojekten
  • Digitalisierung: Ausbau der digitalen Infrastruktur

Nicht förderbar sind Einrichtungen, die durch Gebühren, Beiträge oder privatrechtliche Entgelte vollständig finanziert werden. Im Umkehrschluss ist eine Förderung möglich, wenn die Einrichtung nur auf die eben genannte Weise teilfinanziert wird. Insofern wird bei der weiteren Umsetzung durch die Länder und Kommunen eine besondere Herausforderung sein, die Finanzierung von Assets, wie der Netzinfrastruktur, auszugestalten, da diese im Wesentlichen durch Netzentgelte finanziert wird.

Unschädlich für die Förderung ist es, wenn sich die öffentliche Verwaltung zur Erledigung der von ihr wahrzunehmenden Aufgaben über den Lebenszyklus des mit der Sachinvestition verbundenen Vorhabens eines privaten Dritten im Rahmen einer vertraglichen Zusammenarbeit bedient. Es können also auch Projekte in Public-Private-Partnerships finanziert werden.

Förderfähig sind Investitionsmaßnahmen mit einem Mindestvolumen von 50.000 Euro. Zudem dürfen nur solche Sachförderungen erfolgen, die auf eine längerfristige Nutzung abzielen, wobei die demografische Veränderung berücksichtigt werden muss. Der Förderzeitraum erstreckt sich vom 1. November 2025 bis zum 31. Dezember 2042, wobei Maßnahmen bis zum 31. Dezember 2036 bewilligt sein müssen.

3. Zusätzlichkeitsprinzip und Doppelförderungsverbot

Ein zentrales Element des LuKIFG-E ist das Zusätzlichkeitsprinzip (§ 4 LuKIFG-E): Die Mittel aus dem Sondervermögen dürfen eigene investive Mittel der Länder und Kommunen nicht substituieren. Die Mittel müssen zu zusätzlichen Investitionen führen (summenbezogen). Mit Blick auf die Länder muss die Zusätzlichkeit der Investitionen in Bezug auf die dynamisierte Summe der konsolidierten Investitionsausgaben des jeweiligen Landes einschließlich seiner Kommunen gegeben sein. Zwar geht es hier ebenso wie bei dem Erfordernis der Zusätzlichkeit auf Bundesebene darum, dass sich die Investitionen im Förderzeitraum insgesamt erhöhen. Gleichzeitig darf sie nicht mit der Zusätzlichkeit auf Bundesebene in § 143 Absatz 1 Satz 2 GG bzw. § 4 Absatz 1 SIVKG-E verwechselt werden.

Eine Doppelförderung (§ 5 LuKIFG-E) durch andere Bundes- oder EU-Programme ist grundsätzlich ausgeschlossen, wobei selbstständige Investitionsabschnitte davon ausgenommen sind.

Allerdings ist eine Förderung durch das Sondervermögen von selbstständigen Investitionsabschnitten eines Gesamtvorhabens möglich, sofern diese Abschnitte abgegrenzt werden können. Eine Förderung der übrigen Abschnitte des Gesamtvorhabens durch andere Mittel ist dann unschädlich.

4. Berichtspflichten und Kontrolle

Die Länder unterliegen umfassenden Berichtspflichten (§ 8 LuKIFG-E) gegenüber dem Bund. Zu Beginn müssen sie dem Bund einmalig über die Verfahren zur Durchführung der Förderung berichten. Sie müssen bis zum 31. Dezember 2031 halbjährlich und danach jährlich über geplante, begonnene und abgeschlossene Investitionsmaßnahmen berichten. 

Der Bund behält sich das Recht vor, die zweckentsprechende Mittelverwendung zu prüfen und gegebenenfalls Mittel zurückzufordern. Die Prüfung beschränkt sich jedoch auf risikobasierte Stichproben. In diesem Zusammenhang ist der Bund befugt, von Ländern und Kommunen Bücher, Belege und sonstige Unterlagen einzusehen, erläuternde Berichte zu verlangen sowie örtliche Erhebungen durchführen - wobei ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand zu vermeiden ist. Die obersten Landesbehörden sind dem Bund gegenüber zur Auskunft verpflichtet.

5. Bewirtschaftung und Rückforderung

Die Zuständigkeit für die Bewirtschaftung der Mittel liegt bei den Ländern. Auszahlungen können bei der Bundeskasse angewiesen werden, sobald die Finanzmittel benötigt werden. Vorabpauschalen und andere Formen der Vorabfinanzierung sind unzulässig. Die letzte Auszahlung bei der Bundeskasse muss spätestens am 31. Dezember 2043 erfolgen.

Bei Fehlverwendungen sieht das Gesetz Rückforderungsansprüche des Bundes vor (§ 10 LuKIFG-E). Nicht zweckentsprechend verwendete Mittel sowie Verstöße gegen das Doppelförderungsverbot müssen zuzüglich Zinsen zurückgezahlt werden. Da es nach dem Gesetzeswortlaut heißt: „Der Bund kann Mittel von einem Land zurückfordern", steht dem Bund dabei ein behördliches Ermessen zu. Eine Rückforderung kann nur bis Ende 2045 erfolgen, es sei denn dem Bund werden die maßgeblichen Informationen erst nachträglich bekannt. Eine Rückforderung ist ausgeschlossen, wenn der Betrag unter 1.000 Euro liegt (Bagatellgrenze). Zurückgezahlte Mittel können bis 2043 erneut von den Ländern in Anspruch genommen werden.

III. Zeitplan und nächste Schritte

Das LuKIFG-E soll am Tag nach der Verkündung in Kraft treten und bis zum Ende des Jahres 2050 gelten. Die Inanspruchnahme der Mittel ist dabei auch noch von dem Inkrafttreten einer zwischen dem Bund und den Ländern zu schließenden Verwaltungsvereinbarung abhängig.

IV. Fazit 

Die Referentenentwürfe SIVKG-E und LuKIFG-E stellen die größte Investitionsoffensive in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland dar. Mit einem Gesamtvolumen von 500 Milliarden Euro werden erhebliche Mittel für die Modernisierung der deutschen Infrastruktur und die Erreichung der Klimaziele mobilisiert. Diese umfassende Investitionsstrategie stellt einen wichtigen Schritt zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland dar.

In den Referentenentwürfen nimmt das Zusätzlichkeitsprinzip eine zentrale Rolle ein. Es soll gewährleisten, dass Bund, Länder und Kommunen nicht durch Substitutionsfinanzierung ihre regulären Haushaltslasten auf das Sondervermögen übertragen. Dadurch wird eine echte Förderung zusätzlicher Sachinvestitionen über das bereits geplante Maß hinaus angestrebt. Für den Erfolg dieser Initiative wird die Konformität mit dem europäischen Beihilferecht von ausschlaggebender Bedeutung sein.

Insights

Mehr
featured image

Update zur Kundenanlage: Die Entscheidungsgründe des BGH

4 minutes Jul 07 2025

Mehr lesen

Newsletter Technologie & Kommunikation Ausgabe 4 - 2025

Jul 03 2025

Mehr lesen
featured image

Das mögliche Ende der Green Claims Richtlinie: Kommt es jetzt zu Greenwashing?

4 minutes Jun 26 2025

Mehr lesen