Das mögliche Ende der Green Claims Richtlinie: Kommt es jetzt zu Greenwashing?

Geschrieben von

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Dr. Constantin Eikel

Partner
Deutschland

Ich bin ein Experte im Bereich des Markenrechts, für alle Fragen rund um Werbung, im Wettbewerbsrecht, dem Urheberrecht und für Geschäftsgeheimnisse. Im Werberecht berate ich insbesondere zu Fragen der Umweltwerbung.

Aktualisierung vom 8. Juli 2025: Der nunmehr von Dänemark geleitete Vorsitz im Rat der Europäischen Union, hat angekündigt, die Verhandlungen über die Green Claims Richtlinie fortzusetzen. Man will zwar „einen neuen Blick darauf werfen”, ist aber entschlossen, die Verhandlungen fortzusetzen. Derzeit wird der Entwurf der Richtlinie nicht von einer Mehrheit unterstützt, nachdem Italien seine Unterstützung zurückgezogen hat. Es ist aber möglich, dass ein geänderter Entwurf wieder Unterstützung findet.

Jüngst machte die Nachricht Schlagzeilen, dass die Green-Claims-Richtlinie der EU vor dem Aus stünde. Einige haben bereits über die Rücknahme der Richtlinie berichtet, was - zum jetzigen Zeitpunkt – noch verfrüht ist. Im Folgenden erfahren Sie, was Sie über die jüngsten Entwicklungen wissen sollten.

Wurde der Entwurf der Green Claims Richtlinie bereits zurückgezogen? 

Nein, noch nicht. Aktuellen Gerüchten zufolge könnte der Entwurf der Green Claims Richtlinie (GCD) zurückgezogen werden, da er von der Europäischen Kommission und der Europäischen Volkspartei (EVP) nicht mehr unterstützt wird. Diese Berichte könnten jedoch voreilig gewesen sein - es scheint politischen Unmut bzgl. des Vorschlags zu geben, auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in die Green Claims Richtlinie einzubeziehen, was von der EVP nicht unterstützt wird. Diese politischen Entwicklungen sind noch nicht abgeschlossen und bis jetzt wurde noch keine endgültige Entscheidung getroffen.

Welche Auswirkungen hätte die Abschaffung der Green Claims Richtlinie?

Trotz einiger anfänglicher Kommentare wird das Ende der GCD nicht zu Greenwashing und auch nicht zu weniger Kontrolle oder Rechtsdurchsetzung führen. Im Gegenteil, das Vorgehen gegen angebliches Greenwashing ist so stark wie eh und je und kann in vielen EU-Mitgliedstaaten als aktueller Schwerpunkt angesehen werden. Neben nationalen Durchsetzungsmaßnahmen (vor allem in Dänemark, den Niederlanden, Deutschland, Frankreich, Österreich und Italien) gibt es auch laufende internationale Durchsetzungsmaßnahmen gegen angebliches Greenwashing in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie sowie in der Luftfahrtindustrie.

Welche Gesetze würden sich stattdessen mit umweltbezogener Werbung befassen?

Die EU hat bereits die Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel (auch bekannt als: Empowering Consumers Directive, EmpCo oder ECD) verabschiedet, die - möglicherweise aufgrund ihres Namens - oft übersehen wird, obwohl sie erhebliche Einschränkungen für Umweltwerbung enthält. Zusätzlich verbietet die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UCPD) bereits irreführende Werbung, worunter auch Greenwashing fällt. Trotz ihres Namens wird die ECD bedeutende Änderungen für die Umweltwerbung mit sich bringen, wie zum Beispiel:

  • Ein Verbot so genannter allgemeiner Umweltaussagen (nachhaltig, verantwortungsbewusst usw.), sofern nicht bestimmte Anforderungen erfüllt werden;
  • Neue und strenge Regeln für Nachhaltigkeitssiegel, die es Unternehmen vollständig untersagen, eigene Siegel zu kreieren;
  • Überwachungs- und Veröffentlichungsanforderungen für künftige Umweltleistungsaussagen ("Wir werden bis 2030 nur noch Strom aus erneuerbaren Energiequellen verwenden"); und
  • Ein Verbot, für Waren und Dienstleistungen hinsichtlich der Treibhausgasemissionen neutrale, verringerte oder positive Auswirkungen zu behaupten, wenn dies (auch) auf Kompensation (d.h. Offsetting) beruht.

Weitere Informationen über die ECD finden Sie hier.

Was sind die Schlüsselinhalte der Green-Claims-Richtlinie und warum wird sie kritisiert?

Die GCD würde vor allem folgende Regelungen einführen:

  1. Einen gemeinsamen Standard für die Begründung von Umweltwerbung;
  2. Eine Pflicht zur Veröffentlichung der Begründung; und
  3. Eine Vorabprüfungspflicht für die Mehrheit aller Umweltwerbeaussagen.

Das Erfordernis der Vorabüberprüfung hat die meiste Kritik hervorgerufen. Im Wesentlichen müsste jede Werbung vor ihrer Veröffentlichung von unabhängigen und offiziellen Prüfern vorverifiziert werden, was zu erheblichen Kosten und Verzögerungen führen wird. Es wird erwartet, dass eine solche Überprüfung zwischen 30 und 90 Tagen dauern würde, was nicht mit der derzeitig üblichen schnellen Geschwindigkeit im Marketing- und Werbebereich übereinstimmt. Auch für kleine und mittlere Unternehmen dürfte es schwierig sein, die Kosten für die Überprüfung der Angaben zu rechtfertigen. Während einige Befürworter der GCD der Meinung sind, dass eine solche Vorabprüfung notwendig ist, um Greenwashing zu bekämpfen, stellt sie letztendlich eine neue Ebene der Bürokratie dar, die stattdessen zu „Greenhushing“ („hush“ dt. für „schweigen“) führen kann: Unternehmen könnten ihre freiwilligen Umwelt-Bemühungen einstellen, wenn es zu schwierig ist, sie zu kommunizieren. Viele Befürworter der Vorab-Prüfung ignorieren auch, dass die laufenden Durchsetzungsmaßnahmen (Amtsverfahren, Gerichtsverfahren, außergerichtliche Abmahnungen) bereits verschiedene Greenwashing-Praktiken gestoppt haben und dass auch künftig weiterhin gegen Greenwashing vorgegangen wird. In der Praxis gibt es daher keine „Lücke“ in der Durchsetzung, für die die Vorabprüfung erforderlich oder nützlich wäre.

Was sollten betroffene Unternehmen tun?

Wir empfehlen, die Entwicklungen der GCD zu beobachten und sich weiterhin auf die Einhaltung der EmpCo-Richtlinie zum 27. September 2026 vorzubereiten - dem Datum, an dem sie in der gesamten EU angewandt werden muss. Selbst wenn die GCD zurückgezogen wird, ändert dies nichts an der EmpCo-Richtlinie und wird die laufenden nationalen Durchsetzungsmaßnahmen nicht beenden.

Schließlich: Kann die EU-Kommission den Entwurf der Green Claims Richtlinie einfach zurückziehen?

Nein, nicht einfach so. Die Europäische Kommission kann einen Richtlinienentwurf zurückziehen, aber diese Befugnis ist begrenzt. Die Kommission hat zwar das Recht, Rechtsvorschriften vorzuschlagen und sie kann auch Vorschläge zurückziehen, insbesondere bevor der Rat und das Parlament einen formellen Standpunkt festgelegt haben. Nachdem der Rat und/oder das Parlament jedoch einen Standpunkt in erster Lesung festgelegt haben, benötigt die Kommission in der Regel eine Begründung und die Unterstützung beider Institutionen, um einen Vorschlag zurückzuziehen.

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